Auf Wunsch:
Oft habe ich nicht die Gelegenheit meinen Pod zu verlassen. Ich schlendere Richtung Dusche, eine Spur aus Nährschleim hinter mir ziehend. Das heiße Wasser und die duftende Seife entfernen bald jedoch jede Spur davon. Nachdem ich mich eingekleidet habe betrachte ich mich kurz im Spiegel. Ein Barbierbesuch wäre demnächst mal wieder fällig, allerdings sehe ich zumindest wie ein Mensch aus... planetside. Das ist auch nötig, denn heute treffe ich mich mit TrashMetalPirate, einem Vertreter der feindlichen Red Alliance. Wir werden uns ein wenig unters Volk mischen und schauen was der Abend für uns bereit hält.
An der lokalen Transitstation nehme ich begrüßend zur Kenntnis dass der Ticketautomat defekt ist (Automatennr. B38005). Die rückständige Technik auf dieser Kugel erlaubt es mir Geld zu sparen. Auf dem Weg zum Treffpunkt in der nächstgelegenen Großstadt nehme ich mit Begeisterung am allseits beliebten "Lassdichnichtbeimanschauenandererfahrgästeerwischen-Spiel" teil. Ich glaube ich bin inzwischen Profi. Der Trick ist die Bewegungen des Gegenübers vorherzusehen und so im rechten Moment aus dem Fenster, auf den Gang oder die eigenen Füße zu starren. Zusatzausrüstung wie Ohrstöpsel sind contraproduktiv und dienen nur der eigenen Verwirrung, nicht der der anderer Fahrgäste. Für einen besonderen Kick sorgt das Spielen mit lautstarken, jugendlichen Fahrgästen. Ja, wer mag ihn nicht, den öffentlichen Personennahverkehr?
An der Zielstation wartet Trash bereits auf mich. Nach einer herzlichen Begrüßung machen wir uns auf den Weg um Ausrüstung zu kaufen: Tabak, Bier und Nahrung. Nachdem alles besorgt ist gehen wir zum Veranstaltungsort, der LiveMusicHall. Noch eine Stunde bis zur Öffnung, und es beginnt eine gemäßigte Version dessen was landläufig unter "vorglühen" bekannt ist. Wir sind die ersten die da sind, und reden begeistert über Politik, Ausrüstung, Flottenerfahrungen, Verrat, Betrug, Spionage und dergleichen. Von einer Gruppe junger Frauen die kurz darauf hinter uns stehen ernten wir dafür reichlich interessiert-verwirrte Blicke. Ok ok, eher verwirrt als interessiert. Ich beschließe mich das nächste mal vor sie zu stellen, die Arme wie Flügel auszubreiten und mich im Kreis drehend zu schreien "ICH BIN EIN RAUMSCHIFFPILOT!!!".
Bald treffen Trashs Verbündete ein, und ich werde vorgestellt. Wie aus dem nichts halte ich plötzlich eine Flasche mit süßlich riechender Flüssigkeit in der Hand. Nach dem absetzen meine ich in der Cola den seifigen Abgang vom Pennerglück (Jim Beam) zu erschmecken. Ich schaue mir Trashs Freunde an. Da ist das verlobte Pärchen was beständig Zärtlichkeiten austauscht. Dann noch ein ziemlich ruhiger Herr der den Eindruck macht, hergekommen zu sein um sich zu entspannen. Und dann noch die junge Dame die mich abzufüllen versucht (zwei Lippenpiercings).
Die Tür zum Etablissement öffnet sich, drinnen erwartet uns bereits die Security die anfängt uns leider nur halbherzig zu filzen. Nachdem ich Eintrittsgeld bezahlt habe und mir im Gegenzug dafür ein Stempel aufs Handgelenk gedrückt wurde nehme ich die Verfolgung von Trash auf, der über den kleinen Innenhof in einer Halle verschwunden ist. Drinnen angekommen sehe ich wie er sich an einem Tisch neben dem Schrank von einem Subwoofer niederlässt. Er sieht mich und grinst. "Wir wollen die Musik nicht nur hören, sondern auch fühlen." Selbige erinnert irgendwie an jemanden der im Takt zur Musik ins Mikrofon kotzt. Ja, heute ist Rock/Metalabend.
Ich lege meine Klamotten ab und schlendere Richtung Toilette. Bevor ich mir Erleichterung vom vorglühen verschaffe schnippe ich der Klofrau (männlich) ein paar Münzen hin. Nachdem ich mir GRÜNDLICH die Hände gewaschen, und mir Wasser ins Gesicht gespritzt habe gehe ich zurück zu Trash, neben dem es sich seine Freunde schon bequem gemacht haben. Er bedeutet mir ihm zur Theke zu folgen. Bis Mitternacht, zwei Stunden nach Einlass gibt es Freibier. Auf dem Weg schwärmt er von der Bedienung, und nachdem diese uns angelächelt hat weis ich dass er nicht zuviel versprochen hat.
Zurück an unserem Tisch fungiert die seitliche Abdeckung des Subwoofers für mich als Rückenlehne. Auch hier hat Trash nicht gelogen. Zuerst erinnert mich das Ganze an einen Massagesessel, aber nach kurzer Zeit kann ich viele Details und Facetten in den Liedern fühlen, die dem Ohr verborgen bleiben. Schon bald steht die zweite Runde Freibier auf dem Tisch, und nach der ersten hört sich die Musik auch nicht mehr ganz so nach Kotzerei an.
Ich richte meine Aufmerksamkeit auf meine leicht besäuselten Sitznachbarin; Whisky-Cola Lady. Als sie nach einer kurzen Unterhaltung bemerkt wie ich ihren Lippenschmuck studiere fährt sie sich mit der Zunge darüber - ein weiteres Piercing entblößend. Sie meint es sei das beste Spielzeug was sie sich je gekauft hat, und ich verspüre nicht übel Lust einen Beweis für diese Behauptung zu fordern. Da wir jedoch erst bei der zweiten Runde sind übe ich mich diesbezüglich in Zurückhaltung. Trash jedoch, der uns anscheinend beobachtet hat, interessiert das wenig als er mir lachend von hinten einen herzhaften Stoß versetzt, der darin resultiert dass ich erfahre wie der letzte Drink der Dame geschmeckt hat (Citrus, ziemlich süß).
Schmunzelnd verlasse ich den Tisch, denn es ist Zeit für einen weiteren Toilettengang (Hände waschen!!!). Als ich wiederkomme versuche ich lachend Gedanken an Wörter wie Sandwich oder Eiffelturm zu unterdrücken. Mit einem nicken Richtung Dancefloor signalisiere ich Trash dass ich das nächste Lied für tanzbar halte. Kurz darauf bahnen wir uns einen Weg durch einen Pulk von Menschen, hin zur Mitte.
Der Tanz den ich beherrsche (im Takt nicken) wird von den Gesellen hier in einer leicht abgewandten, extremeren Form praktiziert. Ich schließe mich begeistert an und bald dämmert mir dass ich am nächsten morgen mit heftigen Nackenschmerzen zu kämpfen haben werde. Ein Blick zur Seite offenbart ein paar Damen am Rand der Tanzfläche die uns anlächeln. Oder auch auslachen, aber das ist unwichtig. Wichtig ist dass wir Spaß haben, und als wir wenig später verschwitzt wieder am Subwoofer gemütlich machen bin ich mir sicher dass die auch der Fall ist.
Lange bleiben wir jedoch nicht sitzen, nach dem bestellen der dritten und letzten (kurz vor zwölf!) Runde und dem echauffieren mit einer fremden Person über das nichtvorhandensein von Spiegeln auf dem Männerklo, lenken mich meine Schritte Richtung Trash, welcher mit Whisky-Cola Lady und den zwei Verlobten bereits auf der Tanzfläche bereit steht. Belustigt beobachte ich wie sich auf dem Dancefloor immer wieder Mini-Moshpits bilden. Begeistert bin ich auch über die Vielfalt der Leute um uns herum, die als ich meinen Blick über die Menge schweifen lasse einen sehr "farbenfrohen" Eindruck machen. Und plötzlich steht SIE neben uns. Trash, der wohl den Speichel bemerkt haben muss der aus meinen Mundwinkeln tropft, leistet wieder Pionierarbeit und drückt mich zu ihr. Als Omen von The Prodigy einsetzt ist er mitsamt seiner Verbündeten verschwunden und zwei große Augen schauen mich herausfordernd an.
Dreieinhalb Minuten später sitze ich nach Luft schnappend wieder an unserem Tisch. Die kleine lehnt sich an mich, oder vielleicht sind es auch nur die Druckwellen der Bassbox die sie gegen mich drücken. Trash wird nicht müde mir lachend eindeutige Blicke zuzuwerfen. Verdammter Lustmolch! Sie trägt eine weitere Schicht Lippenstift auf, was mir die Gelegenheit gibt ihr vom kleinen (trägerlosen) Schwarzen unbedeckt gelassenes, linkes Schulterblatt zu studieren. Was mein Interesse weckt ist ein großflächiges aber sehr dezent gehaltenes Tatoo. In dessen Mittelpunkt zu sehen ist eine mit wenigen Linien gezeichnete, geflügelte Elfe. Es gefällt mir.
Mir fällt auf dass außer ihr kein Gesprächspartner mehr zur Verfügung steht, da die acht anderen Leute am Tisch, jeweils in Zweierpärchen mit... anderen Dingen beschäftigt sind. Ich lege einen innerlichen Facepalm hin, schaue zu der Kleinen und sie sagt die vier magischen Worte:
"Ich habe einen Freund."
ABBRUCH! ABBRUCH! Sofort leite ich alle zur Verfügung stehenden Ressourcen wieder ans Hirn. Zumindest kann ich jetzt wieder normal mit Mademoiselle reden. Sie meint dass sie singt, woraufhin ich ankündige sie zu einer Accounteröffnung bei Myspace zu zwingen. Die letzte Runde will sich inzwischen verabschieden, ich komme wieder (Hände waschen...) und Mademoiselle ist nicht mehr zu sehen. An ihrer Stelle sitzt Whisky-Cola Lady die sich zu mir rüberbeugt und sagt: "Die ist voll süß, oder? Hat aber einen Freund. So wie ich."
:x
m(
Die Zeit beginnt zu fliegen, und nach ein paar weiteren Abstechern auf die Tanzfläche, viel Gelächter und Schweiß finde ich mich mit den anderen "Die Horde Rennt" singend auf dem Weg zur Transitstation wieder. Der Tinitus wird langsam schwächer. Einige haben den Abend besser überstanden als andere, aber niemand muss getragen werden. Ich stelle enttäuscht fest dass der Ticketautomat hier Ordnungsgemäß funktioniert und steige mit den anderen in ein kleines Abteil im hinteren Teil der Bahn. Ich habe noch einen ziemlich langwierigen Weg vor mir, und Trash ist der letzte der vor mir Aussteigt. Nach einem herzlichen Abschied und dem versprechen das Ganze zu wiederholen steigen neue Fahrgäste hinzu. Allerdings bin ich zu geschafft für das allseits beliebte ÖPVN-Spiel, und so beginne ich ein Gespräch über Gott und die Welt. Wenig später steigen mein Gesprächspartner und ich aus, er bittet mich um Feuer welches er auch bekommt. Im Gegenzug bietet er mir einen Zug von seiner verdächtig riechenden, selbstgedrehten Zigarette an. Ich lehne dankend ab und wechsle auf einen anderen Bahnsteig.
Ich schlendere ein wenig auf und ab, eine junge Frau kommt auf mich zu und auch sie fragt nach Feuer. Sie sieht gut aus, aber sehr müde. Es ist halb sechs Uhr morgens. Es wird noch über eine Stunde dauern bis ich an meinem Ziel angekommen bin. Nachdem ihr Glimmstängel das tut was er soll schlendere ich weiter. Irgendwann steh ich an einem unbeleuchteten, unüberdachten Teil des Bahnsteigs. Es ist dunkel, wolkenlos und die Temperaturen sind nahe dem Gefrierpunkt. Ich richte den Blick nach oben und genieße den Rest der Zeit den Blick auf den Nachthimmel.
Vielen Dank für den Abend Max, mir hat es echt Spaß gemacht. Ich hab zwei dutzend Leute kennengelernt und das sind nur die deren Namen ich mir merken konnte. Und auch wenn ich bezweifle dass die das hier lesen: Hast einen guten Freundeskreis, ist ein klasse Haufen. Ingame aufs Maul hauen und im RL Party? Jederzeit wieder!
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vor 6 Monaten