Dienstag, 17. November 2009

RP – Kein Teil von dir


Er hat sich immer gewünscht diesen Teil der Station einmal betreten zu dürfen. Jenen der unter normalen Umständen nur den Direktoren, Agenten und Kapselpiloten zugänglich war. Normalerweise war dieser Teil der Amarrstation in goldenes Licht gehüllt, Chorgesänge wären durch die hohen und weiten Gänge zu hören gewesen, und das plätschern der Brunnen das aus den Entspannungsräumen in den Nischen des großen Korridors. Menschen wären beieinander gestanden und hätten Gespräche geführt, über marktwirtschaftliche Entwicklungen, Forschungmissionen, Kriege und viele andere Dinge von denen er nichts wusste. Diese Hallen waren für Leute gedacht die über das Leben anderer entschieden, über sein Leben. Unter normalen Umständen würde er vor Ehrfurcht erschaudern an diesem Ort zu sein. Und unter normalen Umständen würde er registrieren welchen Teil der Station er soeben betritt. Doch die Umstände sind alles andere als normal. Und er hat nur einen Gedanken: Weg von den Schreien!

Er vernimmt das kontinuierlich dumpfe Hämmern von Metall auf Metall in der Ferne hinter ihm, welches hin und wieder vom leisen Grollen einer Explosion unterbrochen wird. Und von den Schreien. Er will weg von diesen Geräuschen, er läuft die ganze Zeit schon vor ihnen weg. Wie lange schon? Sie wollen nicht verstummen. Warum kann ihn nicht einfach Stille umgeben? Warum kann er nicht aufwachen, seine Frau hat ihn doch immer wach geküsst wenn er Albträume hatte. Diese Schreie... Sie übertragen sich durch die Wände und durch die Metallkonstruktionen in die ganze Station. Und sie machen ihn wahnsinnig vor Angst.

Er war alleine auf Patrouille in den tieferen Ebenen als er sie das erste Mal hörte. Und seitdem ist er gerannt. Wieder hört er jemanden schreien, doch dieses mal vor sich. Seine Schritte werden langsamer und sie lenken ihn in die Richtung aus der die Schreie kommen. Sie gehen langsam in ein heiseres Gurgeln über. Doch da ist auch noch etwas anderes, sehr leise. Es ist ein summendes Geräusch, hin und wieder unterbrochen von einem klicken. Etwas knackt und er hört ein reißen. Augenblicklich übertönt ein Schrei die anderen Geräusche. Er nähert sich der Quelle und im rot flackerndem Licht der Notbeleuchtung erkennt er nun eine Tür auf der rechten Seite des Ganges. Er will anfangen weiter zu rennen doch er kann nicht. Es ist nicht nur Angst die ihn davon abhält weiter zu gehen, es ist eine grauenhafte Neugier. Er muss wissen was dort drin geschieht, warum sie alle schreien.

Wie in Trance bewegt er sich mit gesenktem Blick auf die Tür zu, die Schreie wollen nicht abreißen, ihm steigen Tränen in die Augen. Seine Hand klammert sich den Türrahmen und die Schreie sind jetzt ganz klar direkt vor ihm. Er fängt an zu weinen und hat Mühe nicht auf die Knie zu sinken. Das Knacken und Reißen ist trotz der Schreie jetzt sehr deutlich zu hören. Tränen landen auf dem Boden. Er betritt den Raum. Er zittert und hat Angst, trotzdem richtet er seinen Blick nun vom Boden auf das Geschehen vor ihm und ihm wird etwas klar. Er hört auf zu weinen, holt seine Pistole aus dem Halfter und zielt. Mit dem Schuss verstummen die Schreie. Nun kann er nur noch das Knacken und Reißen, das Summen und Klicken wahrnehmen. Er dreht sich um und fängt an zu rennen.

Er weiß nicht wen er soeben erschossen hat. Jedoch hat ihm die Tatsache dass dieser Mensch, obgleich seines Zustandes, noch in der Lage war zu schreien klar gemacht dass er jetzt nicht mehr um sein Leben läuft. Die Drohnen hatten ihn bemerkt und trotzdem weiter gemacht. Sie sahen keine Bedrohung in ihm und setzten beflissen ihre Arbeit fort. Sie kennen keinen Schmerz und keinen Besitz. Wenn sie etwas haben wollen dann nehmen sie es sich.

Er kommt an einem Fenster vorbei und etwas trifft ihn von hinten. Noch im Fall wird er von metallenen Ärmchen auf den Rücken gedreht. Sein erstaunter Blick trifft auf die Drohne welche sich sofort ans Werk macht. Alles kommt ihm vor wie in Zeitlupe und jetzt hört die Schreie nun aus seinem Mund kommen als sich filigrane Instrumente an seinem Körper zu schaffen machen. Sein Blick richtet sich auf das Fenster hinter der Drohne und er erblickt hunderte infizierte Schiffe und Drohnen. Die Station ist jetzt ihr zu Hause. Aber er sieht auch etwas anderes. Er sieht die Sterne. Die Mündung der Pistole richtet sich auf das Fenster. „Ich werde kein Teil von dir sein!
Er drückt ab.

Der Druckunterschied schießt ihn sofort ins All. Luft entweicht seinen Lungen und er schließt die Augen. „Nur ein paar Sekunden.“ Er hört nun keine Schreie mehr. Denn das Lied dass die Sterne für ihn spielen übertönt sie.

8 Kommentare:

  1. Geile Story, bis auf 2 Feinheiten:

    1) Wird keine Faustfeuerwaffe ein Fenster durchschlagen das auf der anderen Seite ein Vakuum draußen halten soll

    2)
    Der Druckunterschied schießt ihn sofort ins All. Luft entweicht seinen Lungen und er schließt die Augen. „Nur ein paar Sekunden.“

    Öhm wenn du in´s All geschleudert wirst und keinen Druckanzug trägst erstickst du nicht, sondern explodierst, weil sich der Sauerstoff in deinem Blut ohne entsprechenden Gegendruck im Vakuum seeehr weit ausdehnen will... leider bist nur "DU" im Weg und wirst deshalb zerissen ;-)

    Sorry fürs Klugscheißen ^^

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  2. Google mal nach "Überleben im Vakuum". Das mit dem explodieren gibts nur im Film. Darüber hinaus befände sich unser Protagonist noch für einige Sekunden in einer (schnell dünner werdenden) Atmosphäre. Außerdem solltest du NIEMALS die Macht der Lederhaut unterschätzen!!! Das mit dem Ersticken ist schon klar, deshalb steht da auch "Sekunden" und nicht "Minuten" ^^

    Zu Punkt 1 kann ich nicht wirklich was sagen, glaub aber dass es z.B. nicht so gut kommt wenn man mit einer Pistole von innen gegen ein Guckloch der ISS schießt. Dachte immmer da kommt es mehr auf die Form und nicht auf die Härte des Materials an. Außerdem ist es ja nur ein BAR ;)

    Naja, ich denke man könnte jede Menge solcher Sachen in der Story finden.

    Aber schön dass dir die Geschichte gefallen hat Aerouge :)

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  3. okay, das mit dem explodieren war vllt etwas überzogen... andererseits wenn man hier nachliest:
    http://www.wdr.de/themen/wissen/1/kleine_anfrage/antworten/astronaut_helm.jhtml
    "wird gefriergetrocknet"... ich weiß nicht ob eine sekundenschnelle Gefriertrocknung eines Menschen nicht doch etwas explosives an sich hat ;-)

    Aber was die Form des Materials angeht??? Also ich denke das es da relativ egal ist, ob die Scheibe jetzt rund, eckig oder herzchenförmig ist. Was wichtig ist, ist der Druck / die Spannung die auf ihr lastet. Aber als kleines Killerargument gegen die "Pistole durchschlägt Scheibe"...

    wir befinden uns in Eve... einer lebensfeindlichen Welt, in der riesige Schlachtschiffe sich gerne mal vor Stationen bekämpfen und wo ein Fehlschuß auch sicherlich die Station treffen kann.

    Was meinst du wieviele Stationen schon entvölkert wären wenn eine Faustfeuerwaffe reichen würde die Hülle zu durchschlagen während draußen mit riesigen Autokannonen, Lasern und Schiffkillertorpedos hantiert wird?

    Aber wie gesagt, gut geschrieben :-)

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  4. *eine Runde Wikipedia später*

    Die Fenster der ISS sind aus Quarzglas gefertigt. Nicht Kugelsicher. Es sind Bullaugen, d.h. sie sind rund und gewölbt um dem Innendruck entgegenzuwirken.

    Jetzt explodiert man also nicht mehr im Vakuum sondern wird in sekundenschnelle gefriergetrocknet? Weist du wie lange eine Gefriertrocknung dauert? Darüber hinaus habe ich in der Geschichte von Sekunden und nicht Minuten geschrieben.

    Warum sollte es keine Kollateralsschäden geben wenn vor einer Station gekämpft wird? Habe absolut kein Problem mit der Vorstellung. In den Teasern zu Emerian Age wurden auch mehrere Stationen beschädigt / zerstört.

    Das ist wohl Ansichtssache. Ist wohl wie die Meinungsverschiedenheit zwischen den Leuten die glauben dass Kapselpiloten eine Mannschaft haben und denen die das nicht glauben. Entweder man kommt damit zurecht oder man hängt sich daran auf. Da gibt es kein richtig oder falsch bis CCP sich dazu äußerst. ^^

    Und es ist mir unangenehm so ins Detail zu gehen. Allgemein hätte ich es auch so hinbasteln können dass die Pistole gerade so stark genug wäre fürs Fenster aber nicht für die Drohnen. Oder dass das Fenster auf Grund von sonst was bereits Risse hat. Aber darum geht es in der Story meiner Meinung nach nicht. Und ich fände es toll wenn die Leser der Geschichte was solche Sachen betrifft ihre eigene Phantasie benutzen und sich nicht Details vorkauen lassen :(

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  5. Ich persönlich bin ja der Meinung dass der Verfasser einer RPG Story immer Recht hat ;) Ob das nun alles super logisch ist oder nicht, solange man sich gut ein Bild von der Situation machen kann, ist doch alles ok.

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  6. Ich find die Story sehr schön... und kann auch nur hinzufügen, dass es in der Regel keinen Sinn macht, sich in Details zu verlieren. Das Erzähltempo leidet. Unterm Strich hat eine Story nix gewonnen, wenn sie haarklein jedes Detail erklärt, sich aber darin verliert. Gerade Kurzgeschichten müssen doch kurz und knackig sein.

    Natürlich gibt es dazu unterschiedliche Meinungen... wie immer. Ich hätte es aber auch so ungefähr aufgezogen.

    Irgendwo meinte ein Autor neulich als Tipp (..wobei es genau um sowas ging.. Detailverliebtheit) "Keep it simple! Keep it simple! Keep it simple! And when you're done with it, just remind you to keep it simple!"

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  7. Hrhr naja Geschmäcker sind verschieden. Und da ich ein Großer Fan von Dan Abnett und seiner "Gaunts Ghost" Reihe bin liebe ich hochdetailierte Storys ^^ Aber wie gesagt, ist Geschmackssache :)

    Aber das Fausfeuerwaffen Stationsfenster durchschlagen *schauder* neben Scottys permanenter Unfähigkeit ein weiterer Grund nicht anzudocken ;-)

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  8. Mal wieder sehr gut geschrieben, wusste garnicht das die Drohnen auch Organisches "assimilieren".

    Zum Thema Überleben im All:

    http://lahls.de/drss/vakuum-faq.txt

    Da wird es denke ich gut erklärt.Diese Faq scheinen auch einige Artikel zu bestätogen welche Versuchsreihen an Tieren in den 60ern
    ansprechen.

    Den

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